
Welche speziellen Eigenschaften in welchen Innenstadtlagen das Herz von Wohnungssuchenden höher schlagen lassen.
Die Frage nach den wahren (Wohn-)Schätzen in der Innenstadt wird je nach Perspektive und persönlicher Vorliebe unterschiedlich beantwortet. „Grob gesagt, lassen sich hier mindestens drei Gruppen unterscheiden“, erklärt Irene Rief-Hauser, Inhaberin von Feine Immobilien. „Die erste Gruppe umfasst die Fans des 1. Bezirks, die dort leben möchten, weil sie entweder schon immer dort waren oder das Angebot in dieser Gegend zu schätzen wissen“, erzählt die Maklerin.
Lagen mit Geschichte
Eine weitere Gruppe setzt ihre Suche vor allem in den Bezirken Josefstadt bzw. Alsergrund oder Wieden bzw. Margareten fort. Diese Klientel fühlt sich in diesen Wohnlagen besonders wohl, da sie dort aufgewachsen sind und weiterhin eine Adresse mit dieser Postleitzahl anstreben. „Einige Wohnvorlieben haben historische Wurzeln, da in den jeweiligen Bezirken während der Monarchie viele kaisernahe, großbürgerliche und jüdische Familien residierten“, erklärt Rief-Hauser.
Und einigen Wienerinnen und Wienern ist die historische Bedeutung mancher Grätzel nicht wirklich wichtig, sondern eher die private Verbindung, wie Elisabeth Rohr, Inhaberin von Rohr Real Estate, anmerkt. „Einige Menschen wollen beispielsweise unbedingt auf der Wieden wohnen. Sie sind dort aufgewachsen, wünschen sich für ihre Kinder die Nähe zum Theresianum (Anm. Schulcampus) und sind bereit, Preise zu zahlen, die weniger dem eigentlichen Marktwert als vielmehr der persönlichen Bedeutung dieses Wohnortes entsprechen.“ Rohr berichtet von einer schönen, aber renovierungsbedürftigen Wohnung, die sie unlängst zu einem Preis von 8000 Euro pro Quadratmeter verkauft hat. „Bei der Besichtigung bat mich sogar der vom Käufer engagierte Architekt, ihn zu informieren, wenn wieder eine ähnliche Wohnung verfügbar sei, da er bereits interessierte Kunden auf der Warteliste stehen habe.“
Frage des Lifestyles
Die dritte Gruppe von Wohnungssuchenden interessiert sich zunehmend für die Bezirke Mariahilf, Neubau und in den letzten Jahren vermehrt auch für die Leopoldstadt. „Diese Kunden schätzen einen besonderen Lifestyle, gehören einer spezifischen soziodemografischen Gruppe an und genießen es, kleine Bars, Vintage-Geschäfte sowie autofreie und familienfreundliche Zonen zu entdecken“, erklärt Rief-Hauser. Auch Themen wie Nachhaltigkeit spielen eine große Rolle und lassen sich in diesen Mikrolagen besonders gut umsetzen.
„Ich habe kürzlich einem Herrn eine Wohnung in der Praterstraße verkauft“, erzählt Rohr, „sein Budget hätte auch für andere Lagen gereicht, aber er fährt mit dem Rad und schätzt es, direkt an der ‚coolsten Radstraße Wiens‘, dem Radhighway, zu wohnen. Es war ihm auch wichtig, sein Fahrrad sicher abstellen zu können.“
Viele Käufer in diesen Bezirken bevorzugen außerdem Holzbauweise oder Erdwärme, Lofts oder klassische Altbauwohnungen sind aber nach wie vor ebenfalls gefragt. „Wenn ein Neubau ausreichend ansprechend ist, kann der Altbau vom Must-Have zum Nice-to-Have werden, weil sich manche Käufer einfach so sehr in die Lage verlieben, dass sie in ihren Vorstellungen flexibler werden“, weiß Rief-Hauser.
Punkte für Authentizität
Auch die Anhänger der Inneren Stadt legen großen Wert auf Altbauwohnungen, besonders wenn sie ein „unberührtes“ Objekt mit Originaldecken oder einem unveränderten Grundriss finden können, betont Rohr. „Manche Objekte sind zu Tode saniert, und das mögen die Leute nicht.“
Pluspunkte gibt es, wenn das Haus einst Mozart oder andere Prominente beherbergt hat. Manchen sei der 1. Bezirk inzwischen zu touristisch geworden, was diese in die Gruppe der Liebhaber des 8., 9. sowie 4. und 5. wechseln lässt. Wo es genauso jene zart knarzenden Böden und Stuckfassaden gibt, die eine Wohnung zum ganz persönlichen Schatzkisterl machen können.