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Matcha contra Kaffee: Wie gesund ist das hippe Trendgetränk wirklich?

Matcha contra Kaffee: Wie gesund ist das hippe Trendgetränk wirklich?

Matcha ist Grüntee in Pulverform. Angeboten wird es als viel mehr: als Ritual, Lifestyle, Superfood, Wellness. Der Kaffee geht in der Marketingoffensive unter. Zu Unrecht, sagt eine Ernährungswissenschafterin.


Matcha wird traditionellerweise mit Wasser getrunken, trendy ist aber vor allem das Mischgetränk Matcha Latte.

Imago

«Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates.» Die deutsche Rapperin Shirin David sang schon 2024 über Matcha. Darüber, wie er zu einem Lifestyle gehört, den man gern zur Schau stellt. Gesund, fit, schön. Die sozialen Netzwerke werden derzeit von dem grasgrünen Trendgetränk überflutet, das genau so schmeckt, wie es aussieht.

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Vor ein paar Jahren hat sich noch kaum jemand für Matcha interessiert, jetzt erobert das Getränk beinahe weltweit das Internet und die Märkte. Auch in der Schweiz, wie Zahlen vom Onlinehändler Galaxus zeigen. Vor fünf Jahren lag der Anteil von verkauftem Matcha bei einem Prozent. Jetzt macht Matcha 13 Prozent aller Verkäufe von Teeprodukten aus – jeder achte verkaufte Tee ist Matcha.

Auch wenn die Nachfrage nach Matcha deutlich gestiegen ist, bleibt Kaffee der Favorit: Auf jede verkaufte Matchapackung kommen bei Galaxus derzeit rund neun Kaffeepackungen. Im Vorjahr lag das Verhältnis noch bei eins zu zehn. Matcha holt auf – als das «gesündere Koffein», als die «sanftere Alternative zu Kaffee». Was ist an diesen Behauptungen dran?

Was ist Matcha eigentlich?

Matcha ist im Grunde eng verwandt mit dem klassischen Grüntee, die Blätter werden vom selben Teestrauch (Camellia sinensis) gewonnen. Abgesehen davon haben die beiden nur wenig gemeinsam.

Im Unterschied zum klassischen Grüntee werden beim Matcha die Teesträucher vor der Ernte während mehrerer Wochen beschattet. Der Schatten führt dazu, dass die Pflanze mehr Chlorophyll und dadurch eine dunkelgrüne Blattfarbe produziert. Gleichzeitig steigt damit der Gehalt bestimmter Aminosäuren und Antioxidantien.

Während Grüntee auch maschinell geerntet werden kann, werden die Blätter für Matcha ausschliesslich von Hand gepflückt. Nur die jungen Blätter werden für den Matchatee verwendet – je jünger die Blätter, desto höher die Qualität des Matcha. Die Blätter werden gedämpft, getrocknet und nach der Entfernung von Blattstengel und Blattadern in Granitmühlen zu feinem Pulver vermahlen. Das ist zeitintensiv: Eine traditionelle Granitmühle benötigt etwa eine Stunde, um 30 Gramm Matcha zu mahlen. Die aufwendigere Herstellung schlägt sich im Preis nieder: Matchapulver ist um ein Mehrfaches teurer als gewöhnlicher Grüntee. Auch für Kaffee bezahlt man weniger.

So langsam und aufwendig die Matchaernte ist, so bedacht und gemächlich ist die Zubereitung: Getrunken wird das Pulver, indem man es mit heissem Wasser und traditionell mit einem Bambusbesen zu einem schaumigen Tee aufschlägt. Beim Matcha wird also fast das gesamte gemahlene Blatt konsumiert, während beim klassischen Grüntee nur ein Aufguss getrunken wird. Das macht den Matcha zu einem extrem konzentrierten Grüntee mit einem höheren Gehalt an Nährstoffen, Koffein und Antioxidantien.

Ist Matcha wirklich so gesund?

Online wird man von der Fülle der angepriesenen Vorteile des Matcha beinahe erschlagen. Einige Laborstudien und kleine klinische Studien deuteten auf mögliche Vorteile dieser Nährstoffe hin, sagt Joyce Haddad. Sie ist Ernährungsberaterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Ernährung und Diätetik an der Fachhochschule Bern. Laut Studien könnte die Aminosäure L-Theanin dem überstimulierenden Effekt von Koffein entgegenwirken. Die Nervosität, die manche nach dem Kaffeetrinken verspüren, soll beim Matcha dadurch wegfallen. Stattdessen werde die Konzentration verbessert und Stress gesenkt.

Die Stärke des Matcha liegt laut Haddad in seiner hohen Konzentration von EGCG, kurz für Epigallocatechingallat. Dabei handelt es sich um ein starkes Antioxidans, das womöglich die Hirn- und Herzgesundheit unterstützt und vor Krebs schützt.

Dr. Joyce Haddad.

PD

Joyce Haddad betont aber: «Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Matcha sind noch sehr begrenzt.» Die meisten Gesundheitsversprechen, die man online findet, stammten aus dem Marketing oder seien Vermutungen basierend auf der allgemeinen Grünteeforschung. Derzeit fehlen stichhaltige Langzeitstudien zu Matcha.

Woran erkennt man guten Matcha?

Was ebenfalls fehlt, ist eine einheitliche Regulierung der Produkte. In Japan ist streng definiert, was als Matcha verkauft werden darf – in Europa hingegen nicht. Hier darf Grünteepulver ungeachtet des Herstellungsprozesses als Matcha bezeichnet werden. In der Theorie ist das nicht falsch: Matcha ist ein japanischer Begriff und bedeutet wörtlich übersetzt einfach «gemahlener Tee».

Auch bei der Qualität sollte man sich nicht auf Bezeichnungen verlassen. Im Verkauf wird oft zwischen «ceremonial grade»- und «culinary grade»-Matcha unterschieden. Bei «ceremonial grade»-Matcha soll es sich um besonders hochwertigen Matcha handeln, der in Japan bei traditionellen Teezeremonien verwendet wird. In Realität ist diese Klassifizierung aber eine reine Erfindung des Marketings, die keiner Regulierung unterliegt. Matchahersteller dürfen den Begriff nach eigenen subjektiven Standards anwenden.

Die Qualitätsunterschiede lassen sich dennoch anhand bestimmter Kriterien eruieren. Das offensichtlichste Qualitätsmerkmal sind die knallige grüne Farbe und die Feinheit des Pulvers. Je dunkler, gelbstichiger oder grober das Pulver, desto niedriger die Qualität. Ein weiteres Merkmal ist der Herstellungsort. Der beste Matcha kommt aus Japan. Als besonders gut gilt derjenige aus Uji, dem Geburtsort des Matcha. Aber auch hier gilt: Herkunftsbezeichnungen bei Matcha sind in Europa nicht reguliert, jeder Hersteller darf «Uji Matcha» oder «Japanese Matcha» auf die Packung schreiben. Ein Blick auf das Kleingedruckte sollte allerdings weiterhelfen.

Spätestens beim Geschmack werden die Qualitätsunterschiede deutlich: Im besten Fall erinnert der Geschmack von Matcha an frisch geschnittenes Gras, ist erdig, herzhaft und süsslich. Bei minderwertiger Qualität schmeckt Matcha hingegen bitter, fischig und hinterlässt ein pelziges Mundgefühl.

Das grüne Pulver hat die sozialen Netzwerke erobert.

Alba Caro / Imago

Wie gesund ist Kaffee?

Was die Qualität betrifft, weiss man beim Kaffee eher, was man vor sich hat. Im Gegensatz zu Matcha ist Kaffee als Lebensmittel weltweit klar definiert und unterliegt verschiedenen Qualitätsklassen. Herkunftsbezeichnungen sind zudem gesetzlich geschützt.

Im Vergleich zu Matcha enthält Kaffee deutlich mehr Koffein. Pro Tasse (2,3 Deziliter) enthält ein Kaffee 100 bis 120 Milligramm Koffein, beim Matcha sind es 38 bis 89 Milligramm, beim regulären Grüntee 23 bis 49 Milligramm.

Was die gesundheitlichen Aspekte betreffe, sei der Kaffee bereits lange und umfassend erforscht worden, sagt Haddad. Grosse Bevölkerungsstudien zeigen übereinstimmend, dass moderater Kaffeekonsum (drei bis fünf Tassen pro Tag) mit diversen gesundheitlichen Vorteilen verbunden wird. Darunter ein geringeres Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lebererkrankungen, einige Krebsarten. Sogar die Gesamtsterblichkeit ist tiefer. In einer 2024 veröffentlichten Langzeitstudie im renommierten Magazin «Neurology» konnten Forschende nachweisen, dass regelmässige Kaffeetrinker im Vergleich zu Nichtkonsumenten ein um 40 Prozent geringeres Risiko hatten, an Parkinson zu erkranken.

Von diesen Vorteilen liest man verhältnismässig wenig. Haddad sagt: «Kaffee ist bereits Mainstream, während Matcha auf den westlichen Märkten noch relativ neu ist und daher aggressiver beworben wird.» Kaffee ist eines der meistkonsumierten Getränke der Welt. Laut Schätzungen greifen etwa 13 Prozent der Weltbevölkerung regelmässig zur Kaffeetasse.

Und was ist jetzt gesünder?

Die Datenlage ist klar: Kaffee hat bereits mehrfach erwiesene gesundheitliche Vorteile. Für Matcha liegen zumindest erste Hinweise auf positive Eigenschaften vor. Für einen konkreten Vergleich zwischen Matcha- und Kaffeekonsum beim Menschen seien jedoch hochwertige Langzeitstudien erforderlich, sagt Haddad.

Beide Getränke können Teil einer gesunden Ernährung sein. «Niemand muss von Kaffee auf Matcha umsteigen», sagt Haddad. Wichtig sei vor allem die Zubereitungsart. Matcha wird traditionell zwar nur mit Wasser gemischt getrunken, hat sich ausserhalb Japans aber vor allem als das Mischgetränk «Matcha Latte» durchgesetzt. Wer jedoch seinen Kaffee oder Matcha mit viel Zucker, Sirup, Rahm oder fettreicher Milch trinkt, verspielt viele gesundheitliche Vorteile.

Ein Matcha Latte bei Starbucks hat beispielsweise wenig mit dem als gesund vermarkteten Getränk zu tun. Ein Matcha Latte der Grösse Grande (470 Milliliter) enthält 15 Gramm Zucker und 195 Kalorien. In den USA enthält dasselbe Getränk sogar 29 Gramm Zucker. In beiden Fällen ist zudem unklar, wie viel Matchapulver das Getränk überhaupt enthält.

«Matcha ist kein Wunderdrink», sagt Joyce Haddad. Ebenso wenig trifft das auf Kaffee zu. Für eine ausreichende Versorgung mit Antioxidantien sei letztlich eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse entscheidend. In anderen Worten: Das Grün im Glas ist schön und gut, das Grün auf dem Teller aber mindestens ebenso wichtig.

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