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Selbstfürsorge als Geschäftsmodell: Kinderlose Influencerinnen spalten das Netz

Selbstfürsorge als Geschäftsmodell: Kinderlose Influencerinnen spalten das Netz

Es gibt Modeworte, um die kommt keine erfolgreiche Influencerin herum: Selfcare, Me-Time, Mental Load – alles im Leben ist eine riesige Anstrengung und ohne die in diesem Zusammenhang beworbenen Produkte sind wir verloren. Ein Hoch auf Pflegeprodukte, Wellnessanwendungen, Meditations-Apps.

Wenn Selbstfürsorge ins Zentrum rückt, sind Kinder häufig fehl am Platz. So ein schreiender Dreijähriger verträgt sich einfach nicht so gut mit Achtsamkeitsübungen und der allmorgendlichen Routine zwischen Reformer-Pilates und Matcha-Café.

Und so ist es kein Zufall, dass Influencerinnen diesen Lifestyle häufig ganz bewusst inszenieren und pushen – mit dezidiertem Verweis auf die eigene Kinderlosigkeit. Jüngstes Beispiel: Unternehmerin Diana zur Löwen, die erst kürzlich von Berlin nach München gezogen ist und ihr Single-Dasein immer wieder in Videos feiert, nachdem sie zuvor ihre Trennung tränenreich inszeniert und ihre Follower darüber informiert hatte, ihre Eizellen einfrieren lassen zu wollen – „eine gute Absicherung für später“.

Diana zur Löwen: „Einfach nur deine Me-Time genießen“

Jetzt aber ist erst mal ein anderer Take an der Reihe im Leben der 30 Jahre alten Influencerin, die zu den Pionierinnen der deutschen Szene zählt und heute Beauty- und Finanzthemen für ihre 1,2 Millionen Instagram-Follower kombiniert. In einem aktuellen Clip sieht man Diana zur Löwen nach einem langen Tag zurück in ihre Wohnung kommen. Sie wirft ihre Klamotten in die Ecke, schlüpft in etwas Bequemes, trinkt Kaffee, isst Pizza, macht eine Gesichtsbehandlung im Bett. Es läuft Vicky Leandros’ Lied „Ich liebe das Leben“ – und im Bildtext schreibt die Influencerin: „Du hattest einen stressigen Tag und dir fällt auf, dass du keine Kinder und keinen Partner hast und einfach nur deine Me-Time genießen kannst.“

Über die schauspielerische Leistung kann man streiten, das Wording ist indes alles andere als zufällig gewählt. Ihre größte Angst im Leben sei es, den falschen Mann zu heiraten und sich zu früh zu settlen, erklärte zur Löwen erst kürzlich – verbunden mit Werbung für eine neue Netflix-Serie. Ebenfalls zum Single-Storytelling passt ihr Investment in das Berliner Start-up femtasy, eine erotische Audio-Plattform für Frauen.

Dass sie ihre Gefolgschaft mit dem Feiern ihres Lebensentwurfs spaltet, dürfte der Influencerin bewusst sein. Kontroversen erhöhen die Reichweite und sind gut fürs Geschäft. Und der Gegenwind bläst heftig: „Gut, dass ich mir mein Leben nicht schönreden und nach außen versuchen muss, glücklich zu wirken“, schreibt eine Userin in den Kommentaren zum Kinderlos-und-Glücklich-Video.

Eine andere gibt zu bedenken: „Und es erwartet einen Einsamkeit und keiner der einen hält … keine kleinen Hände, die zeigen wie wichtig man selbst ist und nicht was man meint leisten zu müssen …“ Nicht alle sehen das so, aber bei vielen Followern hinterlassen Beiträge wie diese ein Störgefühl.

Dabei bedient Diana zur Löwen einen wachsenden Trend: Single-Influencer kreieren Inhalte rund um die Themen Single-Dasein, Dating, Selbstliebe, Unabhängigkeit, mentale Gesundheit oder Empowerment. Das kann Kooperationen mit Dating-Apps, Lifestyle-Produkten, Reisen oder Selfcare-Marken nach sich ziehen – und gesellschaftlich in zwei Richtungen führen: mehr Akzeptanz und Selbstliebe, aber auch Abwehrreaktionen in die andere Richtung.

Wie stark diese sein können, durfte kürzlich Ruth Moschner erfahren. Die 49-jährige Moderatorin hatte sich in einem Instagram-Video satirisch mit dem Thema bewusste Kinderlosigkeit auseinandergesetzt und damit eine Debatte ausgelöst. In dem Video äußerte sie ironisch, dass sie aufgrund ihrer Kinderlosigkeit spontan nach London fliegen, Trash-TV schauen, den ganzen Tag shoppen oder ins Museum gehen könne, da sie dadurch freier sei.

„Manchmal, wenn ihr in euren Zwanzigern oder Dreißigern seid, versuchen die Leute euch auszutricksen und zu überzeugen, dass ihr ein Elternteil werdet. Aber es ist möglich, zu widerstehen. Und kinderfrei und allein zu bleiben. Ihr müsst es nur wollen“, sagte sie dann noch mit ernster Miene in die Kamera. Dies löste kontroverse Diskussionen in den sozialen Medien aus.

Auf der Plattform X wurde Moschner als bedauernswert, frustriert und selbstsüchtig dargestellt. Dabei stößt konservativen Kräften der Lebensentwurf an sich auf, andere stört die Inszenierung drumherum: „Keine Kinder zu haben ist absolut okay. Es gibt Für und Wider. Es aber so ekelhaft zu vermarkten, erzeugt bei mir Übelkeit“, lautet ein exemplarischer Kommentar, der diesen Zwiespalt sinnbildlich zum Ausdruck bringt.

Es sind Debatten, die regelmäßig im Netz aufflammen. Im vergangenen Jahr waren es Hashtags wie dink und dinklife, die viral gingen. Hinter der Abkürzung DINK verbirgt sich das im Marketing wichtige Kundensegment „double income, no kids“ (doppeltes Einkommen, keine Kinder). Paare also, die zwischen 25 und 45 Jahre alt sind, noch keine Kinder haben oder kinderlos bleiben wollen. In den sozialen Medien zelebrieren sie ihr Luxusleben, ihre finanziellen und sonstigen Freiheiten, ihren Lifestyle ohne Kinder. So wie das britische Vlogging-Paar Hannah und Charlie, die von ihrer abenteuerlichen Reise zum Polarkreis erzählen. „Wenn Sie ein kinderloses Paar mit Doppeleinkommen sind, dann wohnen Sie in einem Iglu am Polarkreis“, schreiben die beiden, während sie in der Luxusunterkunft herumtanzen.

Dass das Thema schon aufgrund seiner gesellschaftlichen Relevanz einen Nerv trifft, ist wenig verwunderlich. Ähnlich wie „Regretting motherhood“, also dem Bedauern der Mutterschaft in den 2010er-Jahren, spalten entsprechende Beiträge das Netz – auch, weil jeder sich mit den Themen Familie, Altern, Lebensplanung früher oder später auseinandersetzen muss.

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